Die Kreuzigung Jesu und ihre Auswirkungen auf das Abendland

»Glauben heisst Nicht-Wissen.« Dieses geflügelte Wort des Westens umreisst die Position, die Religion in den vergangenen 2000 Jahren erlangt hat. Nicht die Gewissheit, mit einem lebendigen Gott zu kommunizieren, steht im Mittelpunkt der Volksmeinung; nicht die Tatsache, dass wir einen Schöpfer haben, der unsere Gebete hört und beantwortet, sondern eine nebulöse Vorstellung, in der die Hoffnung, dass es einen Gott geben muss, zwar noch vorhanden ist, indes, wird sie überlagert von dem doktrinären Zwang des offiziellen Christentums, eine fantastisch anmutende Geschichte als Garant für ein Weiterleben nach dem Tode akzeptieren zu müssen. Eine undifferenzierte Liebe als allein selig machendes Mittel wird gefordert, während die Vernunft, das, was den Menschen vom Tier erhebt, beiseite gefegt wird wie ein schmutziger Wischlappen.

Was ist das für ein Gott, der jene, die an ihn glauben wollen, entgegengesetzt all der Gesetze, die er verkündet hatte, vor den Kopf stösst, indem er seinen Sohn, an dem Wohlgefallen zu haben er durch Offenbarung verkündete, verzweifeln lässt, dadurch, dass er ihn wider alle Versprechen in einen Tod führt, der durch keinen Hinweis von ihm als der Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit zuvor angegeben worden war. Jesus flehte zu Gott unter Tränen, ihn vor einem schmachvollen Tod zu bewahren. Nehmen wir aber die Interpretationen der Christen ernst, hielt Gott Sein Versprechen, Seinen Geliebten Propheten vor dem Untergang zu erretten nicht. Was soll das für einen Sinn haben? Warum hat Gott Sein Versprechen nicht gehalten?

Die Christen stehen besinnungslos vor dieser Frage. Sie konstruieren sich einen abenteuerliches Dogma zurecht, ohne den plausiblen, logikgemässen, vernünftigen Einsichten und Interpretationen Gehör zu schenken. Für sie war Jesus zum Fluch geworden und dadurch, welche Logik! hat er die Menschheit erlöst. Gilt denn nicht mehr der Weg Gottes, den Er durch die Jahrtausende all den Seinen gezeigt hat, dass nur die Nähe zu Ihm Erfolg verleiht? Ist denn Sein Paradies, nämlich von Ihm angenommen zu sein und mit Ihm in einer Gemeinschaft zu leben, auf einmal nicht mehr wahr? Ist aus dem Segen, in dessen Schatten Moses und Buddha, Abraham und Krischna lebten, plötzlich die Hölle geworden? Was ist das für eine verkehrte Welt? Was für eine Lebensphilosophie entspringt solchem Denken?

In den Alltag übersetzt, verheisst die Theorie, dass Gott die Gebete von Jesus, ihn nicht sterben zu lassen, unverständlicherweise nicht erhört hat, dass also seine Feinde, die Juden, Grund zum Triumphieren hatten, dass wir nicht sicher sein können, dass der Allmächtige in Zeiten grösster Gefahr auf der Seite derer ist, die Ihm gegenüber Gehorsam erweisen. Jeder Christ, der betet, sieht sich in einem unlösbaren Zwiespalt. Auf der einen Seite steht das Wort Jesu, das Versprechen, dass wer nur soviel Glauben hat wie ein Senfkorn, grössere Wunder vollbringen kann als Jesus. Es steht da die Aufforderung des Messias, ihm nachzufolgen, da er und Gott eins seien. Jesus nachzufolgen hiess, so zu beten, wie er betete. Und so gewiss zu sein wie er, dass Gott seine Gebete erhören und beantworten würde. Auf der anderen Seite steht die Lehrmeinung, dass in der fürwahr kritischen Situation, in der das Gebet auf dem Prüfstand war, Gott die Gebete nicht erhörte. Dass der Glaube also angeblich nichts wert war. Dass wir demzufolge hilfloser Spielball eines – Gott verzeihe – unberechenbaren, treulosen Gottes sind, dessen Liebe zur Zeit der Gefahr in die Forderung nach einem grausamen Opfer umschlägt. Wie kann ein Mensch mit solchem Zwiespalt wahrhaft glauben?

Die Christen waren in den letzten zweitausend Jahren immer wieder hingerissen zu der natürlichen Wahrnehmung ihrer Vernunft, die Einsichten verlangte und ein Handeln, dass der Natur des Menschen und seiner moralischen wie intellektuellen Evolution angemessen ist. Dieses Denken führte zu grossartigen Errungenschaften. Andererseits wurde von ihnen etwas Vernunftwidriges verlangt, etwas, was weder durch ein ausführliches, einsichtsvolles Studium der Bibel, noch durch ein eigenständiges Nachdenken mit dem von Gott gegebenen Verstand begriffen werden konnte. Nämlich das Akzeptieren eines Treuebruchs als Beweis für die Erhabenheit des Göttlichen. Ihre Ethik verlangte nach solcher Moral wie Treue. Ihrer spirituellen Veranlagung leuchtete die überragende Grösse von Freundschaft ein. Aber ihr Glaube sah sich gezwungen, in diese Vorstellung von hoher Moral einen Moment der Unabwägbarkeit einzubauen. Wenn Gott entgegen Seiner Versprechen – angeblich im Auftrag einer höheren Sinnstiftung – handelte, wie konnte da vom Menschen verlangt werden, allen Versuchungen zu widerstehen und sich selbst treu zu bleiben, keinem verlockenden Kalkül zu folgen, die Treue zum Ehepartner so hoch zu stellen, dass ein Bruch ein von allen würdigen Menschen verdammtes Verbrechen werden würde.

Wenn die Grundlage nicht stimmt, kann kein Haus sicher gebaut werden. Der unlösbare Zwiespalt, den der angebliche Kreuzestod schuf, setzte sich im Denken der Christen und ihrem darauf fussenden Verhalten fest. Ihr Glauben war eine Pflichtübung, gespeist aus dem natürlichen Wunsch, das Gute zu tun, aber zur blossen Theorie verdammt, weil ihr der Einklang mit einem Gesetz Gottes fehlte, das vollziehbar wäre.

Was von ihnen durch diese unselige Theorie von der Sündenvergebung durch den Kreuzestod verlangt wurde, war nicht gemäss ihrer Natur. Es war ein widernatürliches, letztlich abergläubisches Verhalten, in dessen Nachfolge sie sich gesetzt sahen. Glauben wurde zum Spielball einer anti-menschlichen Fantasie. Glauben wurde zum Inbegriff des Nicht-Wissens, des Nicht-wirklich-sicher-Seins. Glauben und Zweifel wurden miteinander untrennbar verknüpft. Es gab keine Heilsgewissheit, ein Paradies auf Erden, das eine wahre Kommunikation mit Gott hervorbringt, war unvorstellbar. Wer wider alle Vernunft glauben wollte, musste dies um den Preis der Verleugnung der Natur tun. Indes, es gab keine Gewissheit. Es gab nur den abstrakten Glauben, der letztlich nichts nutzte, weil er keinen Beweis zustande brachte. Dass Christen dennoch ihr Ego so bekämpften, dass sie selbstlos Gutes tun konnten, ist nicht der Beweis für den leuchtenden Charakter der christlichen Lehre, sondern nur der Beweis dafür, dass sie trotz des nicht lösbaren Zwiespaltes in ihrer Lehre einem guten Vorbild folgten. Nicht ihr Glauben war das Bewegende, sondern ihr Tun.

Der Schatten des Zweifels lag dennoch über ihnen, denn sie hatten keine alle Grenzen sprengende Überzeugung, dass Gott den Seinen immer hilft, ich betone, immer! Ihr Wissen um Gott blieb lückenhaft. Der klare Glanz der Gewissheit wich dem nebulösen Rausch, einem trotzigen Dennoch, das durch keine göttliche Tat bewiesen wurde. Das stereotype Wiederholen von Formeln à la Jesus lebt ersetzte die nüchtern-heilige Einsicht, was notwendig war. Wie unter einer Droge standen sie im Kampf gegen vernunftgemässe Beweggründe und setzten all ihre Kräfte ein, um mit ihren versponnenen Ideen auch andere süchtig und damit weltfremd zu machen. Die Irrealität und die Ohnmacht wurden zur antreibenden Macht. Wer dagegen aufmuckte, wer der menschlichen Natur folgen wollte, wurde grausam bekämpft. Denken und Glauben waren entgegengesetzte Paare. Sie versuchten, Jesus nachzuahmen, ohne wie er wirklich Kontakt mit Gott zu haben.

Als ein Prophet erschien, um die Menschen mit ihrer zu Gott hinstrebenden Natur zu versöhnen und Wunschdenken durch die Hellkraft der tatsächlichen Verbindung mit Gott aufzuheben, verleugneten sie ihn. Sie beschimpften den Heiligen Propheten Muhammadsaw trotz all der Zeichen, die er brachte, als Verkörperung des Satans, so wie die Juden seinerzeit ihren Messias zum Verfluchten machen wollten. In ihrem Glauben gab es keine Freiheit, er lebte vom Zwang, all das ablehnen zu müssen, was Gott zuvor durch Seine Propheten gelehrt hatte: nämlich ein Band mit Ihm zu knüpfen, das nicht zerbricht, das im Alltag wie im Feiertag, in Verfolgung wie in Sicherheit nicht reisst.

Es ist unbenommen, dass es Christen guten Glaubens gibt, die auf eine Antwort von Gott hoffen; und sicherlich werden ihre Gebete bisweilen erhört, so, wie die Gebete von Hindus oder Andersgläubigen bisweilen erhört werden. Gott ist kein unbarmherziges Wesen, das kollektiv verdammt. Aber im Vergleich zu dem, wofür die Menschen bestimmt sind, in diesem Leben wie im Nächsten, ist die spirituelle Entwicklung, zu der die Christen gelangt sind, kaum erwähnenswert. Ich rede nicht von dem Bemühen der Christen, Nächstenliebe zu praktizieren. Ich rede davon, dass sie in ihrer spirituellen Evolution verkrüppelt sind. Was sonst sollte die Lehre, dass Gott nur durch die Opferung Seines Sohnes die Menschheit erlösen kann, bewirken? Selbst die Christen, die an diese Form der Erlösung nach Kräften glaubten, mussten feststellen, dass ihre tatsächlich empfundene Sünde dadurch nicht vertilgt wurde. Sie sündigten weiter. Oder wurden in qualvolle psychische Zustände getrieben, weil ihr Glaube nicht dazu verhalf, dass sie tatsächlich sündenfrei wurden.

Die spirituellen Fähigkeiten des Menschen bedürfen besonderer Nahrung. Nicht aus der Erde stammt sie, sondern sie kommt vom Himmel. Diese Nahrung ist die Erfahrung der Gegenwart Gottes, das Schauen Seiner Zeichen, ein Empfinden Seiner Kommunikation. All dies kann, so berichten uns die Muslime, durch die Sinne des Menschen erfahren werden. Gott spricht nach wie vor zu denen, zu denen Er sprechen will. Wir nennen dies »Offenbarung«, Mitteilungen aus dem Ungesehenen durch Wort, Licht, Ton, Geruch, Traum und so weiter. Im Christentum ist diese Ebene der Wege Gottes, von der Seine Bücher und Seine Heiligen künden, total verkümmert. Anstelle einer lebendigen Kommunikation ist das starrsinnige Beharren auf Behauptungen getreten, Behauptungen, die nach dem Motto, je öfter man sie wiederholt, desto eher werden sie geglaubt, den Menschen eingetrichtert werden. Ohne indes irgendeinen befreienden Moment in sich zu haben, ohne dass sie mehr bewirken als eine besinnungslose Nachfolge, die auf Mutmassungen beruht.

Das Ergebnis solchen Verhaltens ist ein Stagnieren der Religion auf der Ebene des schönen Scheins. Jedoch zeitigt es auch unliebsame Reaktionen. Die Kultur- und Geistesgeschichte des Abendlandes wird geprägt von denen, die den Konstruktionen des Christentums ihre privaten, auf Forschungen und Beobachtungen gründenden Konstruktionen gegenüber setzten. Von Hegel bis Newton, von Shakespeare bis Goethe, von Kopernikus bis Voltaire zeigen die grossen Geister des Abendlandes, dass sie als Antwort auf die naturwidrige Doktrin des Christentums, die zu Tyrannei und Heuchelei allenthalben geführt hatte, eine Entwicklung ihres Selbst setzen mussten, die von Erfahrungen geprägt war, die den Angelpunkt des christlichen Glaubens, den Kreuzestod, negieren mussten.

Eine Spaltung in den Völkern vollzog sich. Hier die Macht der Kirchen und der Staaten, dort die Macht des Wissens, der Erkenntnis. In der Folge kam es zu einem Denken der Rebellion. Religion war nicht länger der Hort des sinnvollen Nachdenkens unter dem Schutz und der Leitung Gottes, eine Anwendung der höchsten menschlichen Fähigkeiten, Religion war Opium fürs Volk, eine beweihräuchernde, verunsichernde, den Fortschritt tötende Droge. Anstatt die Weisheit Gottes und die Seiner Gesandten in ihr Denken einzubeziehen, folgten die Dichter und Denker ihrem eigenen Sinnen und Trachten. In ihm war sehr wohl noch Platz für Gott, aber nicht in der logischen Nachfolge Seines Heilsplans, sondern im Sinne eines Unabwägbaren, eines Möglichen und nicht Auszuschliessenden. Wie gesagt, nicht das Wissen und die Eigenschaften und Wege Gottes waren Glauben, sondern das Nicht-Wissen. Ein Nicht-Wissen, das in der Ungewissheit und dem Zweifel gründete, wie Gott wohl reagieren würde ‘ da Er doch noch nicht einmal die Gebete dessen erhört hatte, der Ihm angeblich am Nächsten gestanden hatte.

„God is a concept to measure pain“, sang John Lennon in unseren Tagen, Gott ist ein Konzept, um den Schmerz zu messen. Zu mehr reicht es nicht mehr. Ein Konzept, eine Idee, eine vage Vorstellung ist Gott, nicht, wie einst, ein allmächtiges, liebevolles Wesen, das Seine Geschöpfe aus der Dunkelheit zum Licht führt, aus der Prüfung des irdischen Lebens zur Heimstatt des geistigen Lebens nach dem Tode leitet. Wenn der Weg Gottes nicht eindeutig und klar ist, wenn Er scheinbar Seine Gesetze launisch bricht, wenn auf Ihn kein Verlass mehr ist, wie es uns die gängige Interpretation der Kreuzigung Jesu suggeriert, dann ist letztlich unser religiöses Verhalten nicht mehr wert als ein Glücksspiel. Wir sollen uns bemühen, gut zu sein, ja, aber wir können nicht wirklich etwas tun, um uns in Sicherheit zu bringen. Stattdessen sind wir gezwungen, uns dadurch in Sicherheit zu wiegen, dass wir an die Wirkung eines abstrakten Modells glauben, das noch nicht einmal von seinem Mittelpunkt, Jesus, geglaubt oder gar erklärt wurde.

Die westliche Welt hat mit solchen Spekulationen die Erde in Unruhe versetzt. Weit davon entfernt, Gutes zu tun in der Gewissheit, dass Gott über unser Handeln einst richten wird, hat der Glaube an den Kreuzestod der Willkür und der Schrankenlosigkeit Tor und Tür geöffnet. Im Namen des Kreuzes wurden Zivilisationen ausgerottet und Unzählige getötet. Blinde Unterwerfung wurde gefordert. Und dem Aufstand der Natur hatte man nichts als Worte entgegenzusetzen. Von Jesus und seiner Mission waren nichts als Geschichten übriggeblieben, mit denen man die Massen zu betören versuchte, mit denen eine sinnlose Wundergläubigkeit angeheizt werden sollte. Der menschliche Geist hat sich dagegen aufgelehnt. Er versank im Wahn oder produzierte Halluzinationen, er brütete Theorien aus, die, wie der Marxismus- Leninismus, Millionen gutgläubig in den Abgrund stiessen. Nicht, dass ihre Erkenntnisse in allem falsch gewesen wären, nur war die Ablehnung der Wirkungsweise Gottes, die eine Reaktion auf die vernunftwidrige Doktrin des Christentums gewesen ist, Ursache dafür, dass aus den richtigen Ansätzen nicht die richtigen Schlussfolgerungen gezogen wurden.

Ein Leben mit Gott schien hingegen zur blossen Gaukelei verkommen. Wer glaubte, musste dran glauben. Die Entwicklung der Menschheit rannte ihm davon. Auf die Fragen der Zeit, auf die Irrfahrten der menschlichen Bedürfnisse, gab die Lehre vom Kreuzestod keine Antwort. Schablonendenken statt Innovation, Formeln statt menschennaher Erfahrung waren die Forderungen. Als Ergebnis haben wir ein Abendland, das unrettbar aus den Fugen bricht. Die Auswüchse der menschlichen Kreativität, die sich nicht länger in die Zwangsjacke eines Erlöserglaubens pressen lassen wollte, der in der Tat nirgendwo zu einer Erlösung geführt hatte, überfluten die Menschheit mit den ausgefallensten, perversesten und abstrusesten Reizen, denen eine haltlos gewordene Welt blind folgt. Nicht den neuen Himmel und die neue Erde einer geistigen Welt, in der Religion realistische Lösungen und Wege bietet, hat die Lehre vom Kreuzestod hervorgebracht, sondern eine Überflutung durch einen Materialismus, in dem die Rufe nach einem Gott, der die Gebete erhört, verhallen.

Jesus wurde zu Superstar, der die billigen Erwartungshaltungen einer fehlgeleiteten Spiritualität auf dem Niveau einer Schnulze erfüllen soll. Nicht Aufklärung mit Gott, sondern Betörung durch einen zum Gott stilisierten Menschen ist das Motto. Alle, die weiter denken als bis zur nächsten Phrase alle, die sich nicht vom Taumel eines marktschreierischen Anpreisens eines Bilderbuchmessias übertölpeln lassen wollen, fühlen sich abgestossen und gebrandmarkt. Glauben wird, von Ausnahmen abgesehen, zur Gefühlsduselei. Der Tod am Kreuz zum Schauer erweckenden Medienspektakel. Und die, die die Bibel mit dem Geist der Heiligkeit lesen und interpretieren, werden als Spinner gescholten. Ist es denn so schwer zu glauben, dass Gott den fürchterlichen Irrtum mancher Jesus-Anhänger dadurch korrigiert hat, dass Er den Heiligen Qur-ân mit unmissverständlichen Worten herabgesandt hat? Kann denn eine Welt den erleuchtenden Versen des Qur-ân auf die Dauer widerstehen? Sicher, wer nicht glauben will, den kann man nicht zwingen. Gott Selbst hat die Glaubensfreiheit zu einem Massstab Seines Handelns gemacht. „Lasst den gläubig sein, der will, und den ungläubig sein, der will“, verkündet Gott uns im Heiligen Qur-ân in der Sure 18 Vers 30. Aber Er sagt auch: »Ruf auf zum Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung.« (16:126)

Für unsere Zeit hatte der Prophet Muhammadsaw prophezeit, dass Jesus wiederkommen würde, um das Kreuz zu brechen. Allerdings, so lehrt uns ein Studium der Heiligen Schriften, würde nicht der historische Jesus wiederkommen, dessen Körper in der Erde ruht und dessen Seele im Paradies bei Gott ist. Der Verheissene Messias würde eine Person sein, die wie Jesus zu Gott aufrufen würde und die Einheit Gottes und das Wirken all, Seiner Eigenschaften verkünden würde. Dies ist durch Hazrat Mirza Ghulam Ahmadas dem Begründer der islamischen Reformbewegung Ahmadiyya Muslim Jamaat geschehen. Durch ihn sollte das Kreuz gebrochen werden. Nicht physisch, sondern indem durch ihn und seine Nachfolger das wahre Wesen der verderbenbringenden Doktrin vom Kreuzestod Jesu aufgedeckt und die Wahrheit über die Kreuzigung Jesu und seine Errettung vom verfluchten Tod am Kreuz erklärt würde.

In gewisser Weise ist das auch für die Muslime von Wichtigkeit. Zwar glauben sie nicht an eine Erlösung von den Sünden durch den Kreuzestod, sondern daran, dass jeder Mensch durch richtiges Beten und glaubensgemässes Handeln einen Zustand erreichen muss, in dem er nicht mehr sündigt. Aber in den Glauben der Muslime hatte sich eine abergläubische Vorstellung von den Umständen der Kreuzigung breitgemacht, die symptomatisch für ein irrationales Denken und Glauben steht, die dem Charakter der qur-ânischen Lehre fundamental widersprechen. Ein Denken und Glauben, die die Wirkungsweise der Muslime gelähmt haben und dafür verantwortlich ist, dass aus der blühenden islamischen Gesellschaft von einst eine marode Ansammlung von Individuen geworden ist, die sich an Sprüchen und Widerspruchsgeist delektieren, anstatt die Probleme unserer Zeit mit Gottvertrauen und Gottesfurcht anzugehen.

Die Muslime glauben mehrheitlich, dass nicht Jesus gekreuzigt worden ist, sondern ein anderer, der ihm ähnlich sah. Jesus indes sei lebendig in den Himmel aufgefahren. Die Unsinnigkeit eines solchen Glaubens liegt indes auf der Hand. Hätte der andere, der auf einmal Jesus so ähnlich sah, dass weder Römer noch Juden noch die Jünger es merkten, nicht laut protestieren müssen? Warum hätte er sich, unschuldig wie er doch wohl gewesen war, nicht zur Wehr setzen sollen? Sind denn alle Aussagen der Evangelien erlogen? Oder hat dieser Mensch, der Jesus so ähnlich gesehen hat, dessen Rolle mit übernommen und am Kreuz wie ein echter Messias agiert? Warum hat Gott denn zu einem solchen Täuschungsmanöver greifen müssen, durch das ein Mensch, von dem zuvor nichts bekannt war, unschuldigerweise ermordet wurde?

Der Heilige Qur-ân belegt diese wundersame These nicht. Ihm zufolge ist Jesus eines natürlichen Todes gestorben. Und den Juden erschien Jesus nur wie einer, der den Kreuzestod erlitten hatte. Der Qur-ân legt Wert darauf, dass die Gläubigen nachdenken, dass sie von ihrer Vernunft Gebrauch machen. Er fordert einen Glauben aufgrund von Erfahrungen, Erkenntnissen und daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen. Ihnen zufolge hat der Gläubige in Geduld, aber mit Tatkraft, den Spruch Gottes abzuwarten. Die Muslime haben sich von der Erfindung ihrer Schriftgelehrten indes hinters Licht führen lassen. Anstatt den Qur-ân ernst zu nehmen und abzuwarten, bis Gott das Geheimnis um die Kreuzigung lüftet, haben sie in wilden Erklärungen Zuflucht gesucht.

Ähnlich wie im Christentum waren diejenigen, die sich den selbsterdachten Interpretationen der Schriftgelehrten nicht unterwerfen wollten, zu einem Leben im Abseits verurteilt, wenn sie nicht gar verfolgt wurden. Gegen das Gebot des Qur-ân, durch das die Glaubens- und Gewissensfreiheit festgesetzt wird, haben sich die Mullahs zum bestimmenden Machtfaktor aufgeschwungen. Sie wollen eine Welt des Glauben-Müssens, um so ihre selbstherrlichen Vorstellungen von einem gottgefälligen Gemeinwesen in die Tat umsetzen. Das, wofür einst der Islam stand, nämlich Entdeckergeist und Inspiration, Forschung auf den Grundlagen der Erklärungen und Weisheiten des Qur-ân und eine tolerante, liebevolle Umgangsform der Menschen miteinander, verkamen zum Mutwilligen wuchernden Gespinst aus Täuschungen und lügnerischen Erfindungen. Ähnlich wie im Christentum, wenngleich nicht in der grossen, überstürmenden Dimension, weil im Islam niemals gefordert wurde zu glauben, dass ein Mensch auch Gott sein könne, rebellierten die intellektuellen Muslime gegen einen vernunftwidrigen Glauben, für den symptomatisch die lächerliche Vorstellung steht, Gott habe Jesus dadurch gerettet, dass Er einen anderen an dessen Stelle töten liess.

Das Ergebnis ist eine Zerrissenheit im muslimischen Lager, die sie handlungsunfähig macht. Oder die sie zu Machtspielen verleitet, die den Islam als Vorwand benutzen, um die von der Vorbildlichkeit des Propheten Muhammad (Frieden und Segen Allahs seien auf ihm) und der Heiligkeit des Qur-ân nach wie vor faszinierten Massen auszunutzen. Buchstabengläubigkeit wird von ihnen auch da verlangt, wo ein Verstehen gefragt ist, wo Allah durch eine bildliche Ebene spricht. Andererseits kehren sich die Denker und Dichter der islamischen Völker total vom Islam ab, weil sie nicht gelernt haben zu differenzieren. Die Kreuze auch dieser beiden Antipoden zu brechen, ist der Verheissene Messias Hazrat Mirza Ghulam Ahmadas gekommen. Durch ihn haben wir wahres Wissen von Gott und Seinen Wegen wieder erlangt. Glauben ist nicht länger Nicht-Wissen, sonder ein Aufbauen unseres Lebens auf den Offenbarungen, in denen und durch die Gott uns Seine Eigenschaften und Wirkungsweisen erläutert und deutlich macht. Abend- wie Morgenland haben kühne Hirngespinste um den Vorfall der Kreuzigung gewunden. Es ist an der Zeit, dass wir uns auf den Wahrheitsgehalt der Schilderungen der Kreuzigung besinnen und die üblen Folgen ihrer Verschleierung beseitigen.

Masud Ahmad (Hrg.), Hadayatullah Hübsch, Jesus starb nicht am Kreuz, Verlag Der Islam,1992, S. 24-35